Winterhaltung aus Tierarztsicht

Wie bringe ich mein Pferd gesund durch den Winter?

Robusthaltung, Scheren und Eindecken ja oder nein, wie gestalte ich das Training? Es gibt viele Fragen für die kalte Jahreszeit. In Zusammenarbeit mit Dr. med. vet. Günther Allmeling, Fachtierarzt für Pferde und Inhaber der Tierklinik Börnsen, wollen wir hier die wichtigsten beantworten.

Jedes Jahr, manchmal schon seit August, wurde das Fell unserer Pferde länger und bildete bis Mitte November einen dichten Winterpelz. Dieser besteht aus langem feuchtigkeitsabweisenden Deckhaar und isolierendem, kälteabweisendem Unterhaar.


Können Robustpferde alles vertragen?

Sicherlich nicht. Natürlich belassene Pferde sind bei ausreichender Fütterung und einem geeigneten Witterungsschutz wie zum Beispiel einem Unterstand zwar ohne weiteres ganzjährig im Freien zu halten. Allerdings gilt hier: Striegel und Kardätsche haben jetzt im Winter in der Fellpflege nichts mehr zu suchen, weil tiefgreifende Säuberungen das Fellgefüge durcheinander bringen und den Schutz vor Nässe und Kälte stören.

Auch die Forderung nach Leistung sollten wir stark einschränken, weil sie mit Eisbärfell nicht erbracht werden kann. Ein Ausritt im Schritt, ein bisschen Jogging ist drin, mehr nicht! „Wenn die Atemfrequenz der Tiere schnell steigt, hat dies nichts mit Luftmangel zu tun. Vielmehr versucht der Organismus, da er die Wärme nicht über die Hautoberfläche abgeben kann, über die Atemluft durch „Hecheln" einen Temperaturausgleich herzustellen", erklärt Dr. Almeling. Das gelingt aber je nach abgeforderter Leistung nur unzureichend.

Dazu kommt, dass Pferde teilweise sehr stark schwitzen. Der Schweiß verdampft auf der Haut und ist somit ein hervorragendes Kühlsystem. Nur bei Pferden mit starker Winterbehaarung funktioniert das nicht, ja es wird ins Gegenteil verkehrt. Das Fell wird zur „feuchten Kompresse". Ein Wärmestau ist vorprogrammiert.


Runter mit dem Pelz!

Damit kommen wir zu den Sportpferden, die auch im Winter trainiert und auf Turnieren vorgestellt werden. In der kalten Jahreszeit muss hier aus Halter- oder Reitersicht einiges beachtet und akzeptiert werden. Wie der Sportler seine Leistung durch Lebensweise, Ernährung und Outfit positiv beeinflusst, sind auch bei Pferden einige Aspekte anders zu handhaben. „Es ist daher meiner Ansicht nach verwerflich, ein im Winterfell stehendes Pferd intensiv zu arbeiten", so der erfahrene Tierarzt. Denn der Wärmestau könne nicht nur zu Unwohlsein, sondern auch zu organischen Schäden des Lungen- und Kreislaufsystems führen, so Allmeling weiter. Wie sich der Mensch im Sport des Trainingsanzugs entledigt, müssen auch Sportpferde ihren Wintermantel ausziehen, d. h. sie werden ganz oder teilweise geschoren.

Abgesehen von einer spontanen Leistungssteigerung, die man bei geschorenen Pferden beobachten kann, schwitzen sie kaum, die Atmung beruhigt sich deutlich schneller. Auch Hauterkrankungen, die gerade im Winter bei stallgehaltenen Pferden häufig auftreten, (besonders im Herbst und Frühjahr zur Zeit des Fellwechsels) sind besser zu erkennen und zu behandeln.


Genaue Beobachtung nötig

Zwischen den beiden Extremen gibt es die „Mittelschicht" der Freizeitpferde, d.h. im Stall gehaltene Pferde, die auch im Winter neben täglichem Freigang auf Paddock oder Weide nicht leistungsorientiert geritten werden. Hier muss der Reiter beobachten, inwieweit das Pferd auf Grund seines Winterfells belastbar ist. Eventuell sind auch diese Pferde teilweise zu scheren. Das kann man im Übrigen auch im späteren Winter noch tun und das Pferd dann eindecken.

Bedarfsorientiertes Eindecken

Das Eindecken von robust gehaltenen Pferden erübrigt sich. Sie frieren bei guter, gesunder Ausbildung des Winterhaares und ausreichender energetischer Zufütterung auch bei Minusgraden nicht.

Pferde mit unzureichendem Winterfell sollte man nicht robust halten, denn die Weidedecke muss regelmäßig kontrolliert werden und bietet nur bedingten Schutz. Bei Reitpferden, die täglich für ein oder zwei Stunden auf den Auslauf verbracht werden, sollte je nach Witterung eine Weidedecke aufgelegt werden, da sie auf Grund der Stallhaltung weniger Winterfell haben. „Auch in der Box sollten sie je nach Stalltemperatur eine Decke tragen. Falsch wäre es, diese Pferde im Stall (zu) warm einzudecken und sie ohne Decke für Stunden auf der Weide stehen zu lassen. Auch Pferde können frieren!", meint der Tierarzt.

Geschorene Pferde tragen in jedem Fall in Abhängigkeit zur Stalltemperatur eine Decke. Selbstverständlich können geschorene Pferde auch bei Minusgraden draußen geritten, müssen aber während der Anfangs- bzw. Lösungsarbeit leicht eingedeckt werden. Bei intensiver Trab- und Galopparbeit steigt ihre Innentemperatur auf 39 Grad Celsius, so dass sie in der Bewegung nicht frieren. In der Abkühlphase werden sie wieder eingedeckt und kommen mit trockener Hautoberfläche in den Stall.

Ein zweiter guter Effekt des Eindeckens ist das Warmhalten der Körpermuskulatur, weil es eine sehr gute Vorbereitung für die sportlichen Aktivitäten darstellt. Kälteverspannungen verlängern die Lösearbeit und können zu Schädigungen der Muskulatur und Rumpfgelenke (Wirbelsäule, Hüfte) führen.

Wichtig ist allerdings, dass das verwendete Material „atmungsaktiv" ist. Die Pferdezubehörindustrie bietet dafür eine große Auswahl an Decken, die auch stärkerem Toben und Spielereien durchaus standhalten.

Autor : Doris Jessen
Bilder : Doris Jessen




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