Was nicht geschrieben ist...

... ist zwar nicht immer gelogen, aber auch nicht zu beweisen.

War bisher vor allem der Verkäufer froh, wenn er ein Pferd ohne Formalien an den Mann brachte, so sieht dies seit 1.1. 2002 anders aus: das alte Viehgewährschaftsrecht gibt es nicht mehr und durch die „große Schuldrechtsreform" ändert sich die Rechtslage im Sinne des Verbraucherschutzes zugunsten des Käufers. Rechtsanwalt Lars Jessen informiert über die Neuerungen.

Bisher trug der Käufer den Löwenanteil der Risiken beim Abenteuer Pferdekauf: bis auf die Gewährsmängel Rotz, Dummkoller, Dämpfigkeit, Kehlkopfpfeifen, periodische Augenentzündung und Koppen, die noch dazu innerhalb von 14 Tagen auftreten und in der Verjährungsfrist von sechs Wochen angezeigt werden mussten, haftete der Verkäufer für gar nichts – mochte das Pferd auch auf drei Beinen aus dem Transporter humpeln. Der Käufer konnte sich nur schützen, indem er Ankaufsuntersuchung, schriftliche Zusicherungen oder einen Kauf auf Probe vereinbarte.

Den Kauf auf Probe wird es auch weiterhin geben, dagegen wurden die Sonderregelungen des Viehkaufs gestrichen. Das bedeutet, dass es prinzipiell egal ist, ob man ein Pferd oder ein Motorrad kauft.

Wann ist ein Pferd frei von Mängeln?

Der Käufer hat ein Recht auf ein mangelfreies Pferd, andernfalls haftet der Verkäufer. Mangelfrei bedeutet, wenn es die vereinbarte Beschaffenheit hat. Wurde diese nicht vereinbart, muss es sich für die vorausgesetzte Verwendung eignen. Hat man auch diese nicht vereinbart – zum Beispiel Reit- oder Zuchtpferd, muss es sich für die gewöhnliche Verwendung eignen und eine Beschaffenheit aufweisen, die bei Pferden gleicher Art üblich ist und die der Käufer erwarten kann.
Dazu gehören auch Eigenschaften, die der Käufer nach den öffentlichen Äußerungen des Verkäufers oder seiner Gehilfen, auch in Werbeanzeigen, erwarten kann.

„Reparatur", Neulieferung, Preisnachlass, Rücktritt

Der Käufer kann „Nacherfüllung" durch Beseitigung des Mangels oder durch Lieferung eines mangelfreien Pferdes auf Kosten des Verkäufers verlangen, allerdings muss er beweisen, dass der Mangel schon bei Übergabe bestand.

Bei Lebewesen sind diese Möglichkeiten an sich schon eingeschränkt, es sei denn der Mangel ließe sich durch erfolgversprechende Therapien kurieren: eine Hustenbehandlung oder Operation bei Klopphengsten. Wenn die Arztkosten in keiner Relation zum Wert des Pferdes stehen, kann der Verkäufer die Nacherfüllung verweigern. Die Lieferung eines gleichwertigen, anderen Pferdes wird ebenfalls die Ausnahme sein.
Wenn eine Nacherfüllung nicht zum Ziel führt, kann der Käufer vom Vertrag zurücktreten oder den Kaufpreis mindern. Voraussetzung für den Rücktritt oder die Minderung ist aber eine angemessene Frist für die Nacherfüllung.

Die Ansprüche wegen eines Sachmangels verjähren in zwei Jahren. Die Frist beginnt mit der Übergabe des Pferdes. Eine Verkürzung ist vertraglich möglich.

Noch einen obendrauf: Schadensersatz

Unter Umständen kann der Käufer zusätzlich den Ersatz eines entstandenen Schadens verlangen – zum Beispiel Kosten für Transport und Futter. Voraussetzungen für Schadensersatzansprüche sind:
• dass ein Sach- oder Rechtsmangel vorliegt
• dass der Verkäufer zur Nacherfüllung nicht mehr verpflichtet ist
• dass der Verkäufer den Mangel zu vertreten hat, also „schuldhaft" gehandelt hat.

Schuldhaftes Handeln ist zum Beispiel, wenn der Verkäufer Eigenschaften des Pferdes (schmiedefromm, geländesicher) ausdrücklich zugesichert hat, obwohl sie nicht vorhanden waren. Verschulden liegt auch vor, wenn der Verkäufer den Mangel arglistig verschwiegen hat. Neu ist nun, dass der Verkäufer auch haftet, wenn er den Mangel nur fahrlässig verkannt hat, d.h. ein leichtes Husten ignoriert und nicht näher untersuchen lässt.

Die Haftung des Verkäufers speziell für Schadensersatz ist durch die Ausweitung der Haftung auf fahrlässiges Verhalten deutlich verschärft worden. Kraft Gesetzes wird vermutet, dass der Verkäufer schuldhaft gehandelt hat. Für einen Prozess bedeutet das: der Verkäufer muss beweisen, dass ihn kein Verschulden trifft.

Die neue Regelung des Verbrauchsgüterkaufes

Im Sinne des Verbraucherschutzes noch strenger werden die Vorschriften für den Verkäufer beim Verbrauchsgüterkauf, d.h. wenn er das Pferd als gewerblicher Züchter oder Händler an eine Privatperson verkauft. Dafür bleiben die oben skizzierten Regelungen erhalten, wurden aber ergänzt. So geht die Gefahr des zufälligen Todes des Pferdes erst dann auf den Käufer über, nachdem es ihm übergeben wurde. Dies ist wegen des Verladerisikos und der Verkehrsunfallgefahr für Transporte von Bedeutung.

Zeigt sich innerhalb von sechs Monaten nach Übergabe ein Mangel, so gilt die Vermutung, dass der Mangel bereits zum Zeitpunkt der Übergabe bestand. Ob allerdings diese Vermutung beim Pferdekauf tatsächlich zur Anwendung kommt, wird die Gerichtspraxis zeigen. Diese Regelung gilt nämlich nicht, wenn die Vermutung „mit der Art der Sache oder des Mangels" unvereinbar ist. Pferde als lebende Organismen können sich schnell verändern, und ob zum Beispiel die Veranlagung zur Hufrollenentzündung angeboren (also schon vorhanden) war oder durch falsches Training innerhalb kurzer Zeit erworben wurde, ist eine Frage, die selbst Tiermediziner nicht mit letzter Sicherheit beantworten können.

Wie können Verkäufer und Käufer die Risiken begrenzen?

Hatte früher der Käufer großes Interesse an einer umfassenden vertraglichen Absicherung, so sollte heute der Verkäufer – insbesondere der Züchter oder Händler – auf seine Kosten bereits eine Ankaufsuntersuchung durchführen. Dabei ist zu überlegen, ob der bisher übliche Umfang ausreicht, oder zum Beispiel auch Röntgenaufnahmen des Rückens wegen des Kissing Spine Risikos mit einbezogen werden müssen.
Das hat für den Verkäufer zwei Vorteile: Werden in Röntgenuntersuchungen Veränderungen (Strahlbeinerkrankung, Spat, Chips etc.) festgestellt und dem Käufer mitgeteilt, so kann dieser daraus keine Ansprüche ableiten. Sollte beim Verbrauchsgüterkauf die Rechtsprechung die Vermutungsregelung anwenden, dass in Fällen, in denen der Mangel innerhalb von sechs Monaten auftritt, dieser bereits zum Zeitpunkt der Übergabe bestand, kann dies mit Röntgenbildern widerlegt werden. Der Käufer hat ebenfalls Klarheit über den Gesundheitszustand des Pferds.

Auch vollmundige Werbeaussagen sind riskant. Vielmehr sollten die Parteien das Pferd, seine Beschaffenheit und insbesondere seinen Einsatzweck vertraglich festlegen. Kauft man einen Wallach, so steht fest, dass ein Klopphengst einen Sachmangel darstellt, gleiches gilt für einen Deckhengst ohne Spermaproduktion.

Eine weitere Möglichkeit der Risikobegrenzung des Verkäufers ist ein Gewährleistungsausschluss: beim Verbrauchsgüterverkauf darf der Unternehmer Schadensersatzansprüche ausschließen oder beschränken, die Rechte auf Nacherfüllung, Rücktritt oder Minderung dagegen nicht.
Beim Privatverkauf gebrauchter Sachen hat der Bundesgerichtshof den vollständigen Gewährleistungsausschluss grundsätzlich für zulässig angesehen.

Dazu bleibt noch die Möglichkeit, die Verjährung und damit die Haftungszeit vertraglich zu begrenzen. Im Verbrauchsgüterkauf gilt die Einschränkung, dass bei neuen Sachen keine Begrenzung der Verjährung, bei gebrauchten Sachen nur auf ein Jahr möglich ist.

Neu- oder Gebrauchtpferd?

Entscheidend ist also, ob das Pferd neu ist oder nicht. Im bisherigen Kaufrecht wurde diese Frage bei Tieren bereits entschieden, indem neun Wochen alte Hundewelpen ebenso wie lebend gelieferte Forellen als neu angesehen wurden.
Was bei Pferden zu gelten hat, wird spannend. Sind nur Fohlen neu oder auch noch der Jährling? Unter Umständen auch noch das rohe, nicht angerittene Pferd? Oder passen diese Vorschriften überhaupt nicht?

Fazit

Insgesamt bleibt festzuhalten, dass der Kauf per Handschlag jetzt für den Verkäufer zu einem unkalkulierbaren Risiko geworden ist. Die Parteien können und müssen sich jetzt Gedanken machen, wie sie ihre Interessen wahren. Die Ankaufsuntersuchung wird dabei neben dem schriftlichen Kaufvertrag, in dem Gewährleistung, Haftung und Verjährung genau geregelt sind, eine zentrale Rolle spielen.


Autor: Jessen



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