Tierarztrecht - Teil 2

Fragen macht klug!

Der zweite Teil des „Tierarztrechts" erläutert einige Fälle, in denen "etwas schief gegangen" ist. Die für den Pferdehalter wichtigste Frage ist hier, welche Voraussetzungen er beachten muss, wenn er versuchen möchte, vor Gericht in einem Haftpflichtprozess gegen den Arzt Aussicht auf Erfolg zu haben, d.h. Schadensersatz zu erhalten.

Pferdehalter unterstellen gerne Kunstfehler, wenn der Heilungserfolg einer Behandlung nicht eingetreten ist, und möchten Schadensersatz in einem Haftpflichtprozess verlangen. Dabei muss betont werden, dass der Tierarzt keinen Heilungserfolg schuldet, sondern nur das "Bemühen um Helfen und Heilung". In diesem Sinne ist ihm häufig keinerlei Pflichtverletzung vorzuwerfen.

Welche Voraussetzungen müssen erfüllt sein?

Um einen Schadensersatzanspruch aus dem Behandlungsvertrag durchzusetzen, müssen grundsätzlich folgende Punkte geklärt sein: Es muss ein Behandlungsvertrag vorliegen und ein Schaden gegeben sein. Dies ist meist sehr einfach nachzuweisen: so ist das Pferd entweder gestorben oder unheilbar krank und daher nicht nutzbar.

Schwieriger ist die Frage, ob der Tierarzt eine Pflicht verletzt hat. Die Vertragspflichten umfassen die Aufnahme der Krankengeschichte, Untersuchung, Diagnose, Prognose, Aufklärung, Medikamentenabgabe, Erstellung Krankenunterlagen, Beratung, Nachsorge etc. Zur Klärung, ob der Arzt eine dieser Pflichten verletzt hat, ist man meist auf einen Sachverständigen angewiesen, der feststellt, ob die Untersuchung nach dem damaligen Sachstand ausreichend war und ob Diagnose und Behandlung dem Kenntnisstand von Wissenschaft und Praxis entsprachen.

Wurde die Pflichtverletzung festgestellt, so ist nach der Kausalität zu fragen: hat die Pflichtverletzung den Schaden verursacht oder anders, wäre der Schaden nicht eingetreten, wenn der Tierarzt ordnungsgemäß gehandelt hätte? Wegen der Komplexität des lebenden Organismus kann diese Ursächlichkeit meist nicht nachgewiesen werden. Zu viele andere Faktoren können den Heilungsprozess und getroffene Maßnahmen beeinflussen.

Daher ist für einen Haftpflichtprozesses entscheidend, wer die Beweislast hat. Der Tierhalter muss als Kläger beweisen, dass der Arzt den Schaden durch seine Pflichtverletzung verursacht hat. Da der Halter dies häufig nicht kann, verliert er schon aus diesem Grunde den Prozess.

Anders liegt die Beweislast, wenn dem Tierarzt ein "grober Behandlungsfehler" unterläuft. Dann trägt der Tierarzt die Beweislast, d.h. er muss beweisen, dass der Schaden auch ohne seinen groben Behandlungsfehler eingetreten wäre. Allerdings ist nur im jeweiligen Einzelfall zu entscheiden, wann ein grober Behandlungsfehler vorliegt. Der Bundesgerichtshof sagt hierzu: es muss ein Fehlverhalten vorliegen, das aus objektiver ärztlicher Sicht für einen Arzt nicht mehr verständlich und verantwortbar erscheint, weil ein solcher Fehler dem behandelnden Arzt "schlechterdings nicht unterlaufen darf". Auch diese Frage wird i.d.R. von einem Sachverständigen geklärt. Ein Anspruch auf Schadensersatzpflicht entsteht aber erst dann, wenn feststeht, dass der Tierarzt schuldhaft, d.h. vorsätzlich oder fahrlässig, gehandelt hat. Gem. § 276 BGB handelt fahrlässig, wer die im Verkehr erforderliche Sorgfalt außer acht lässt.

Wann hat der Tierarzt seine Pflichten verletzt?

Wie das Wort "Haftpflichtprozess" vermuten lässt, ist zu klären, welche Pflicht der Arzt verletzt hat.

Diagnosepflicht

Der Fall: Ein Tierarzt behandelte eine Stute auf Steingallen, obwohl das Tier an Hufrehe erkrankt war.
Das OLG München (VersR 89,714) kam zu dem Ergebnis, dass dem Arzt Fehler in der Diagnose und in der Folge ein schwerwiegender Behandlungsfehler anzulasten sei. Er hätte aus dem Symptom erkennen müssen, dass eine Hufrehe in Betracht kam und entsprechend genauere Untersuchungen zur Abklärung durchführen müssen.

Die Hinweis- und Beratungspflicht

Der Tierarzt muss seinen Auftraggeber über die Behandlungsmethoden und ihre Gefahren beraten. Dazu zählt die Art und Weise eines geplanten Eingriffs, Erfolgsaussichten, Risiken und Alternativen.

Der Fall: Ein Tierarzt sollte eine wuchernde Warze am rechten Hinterbein entfernen. Während des Narkotisierens starb das Pferd. Der Auftraggeber machte Schadensersatzansprüche u.a. mit der Begründung geltend, dass er nicht über Vollnarkoserisiken aufgeklärt worden sei und behauptete, dass er sich bei ordnungsgemäßer Aufklärung (schuldhafte Pflichtverletzung) für eine örtliche Betäubung entschieden hätte und damit folglich das Pferd nicht gestorben wäre (Kausalität und Schaden).
Hier wurde eine Pflichtverletzung verneint, da jedermann über ein solches allgemeines Risiko Bescheid wisse. Etwas anderes hätte evtl. gegolten, wenn vorliegend ein erhöhtes Risiko von Komplikationen vorgelegen hätte. (VersR 80,653)

Wahl der Operationsmethode

Der Fall: Der Tierhalter beauftragte seinen Tierarzt, seinen dreijährigen Traberhengst zu kastrieren. Ohne zuvor mit dem Eigentümer über die Art und Weise des Eingriffs gesprochen zu haben, wurde die Operation in der Stallgasse am stehenden Pferd durchgeführt. Am nächsten Tag wurde das Pferd in der Box liegend gefunden; aus der Operationswunde waren Därme ausgetreten, so dass das Tier notgeschlachtet werden musste.
Das OLG Düsseldorf (VersR 92,206) verurteilte den Tierarzt zum Schadensersatz, weil er seine Sorgfaltspflicht in zweierlei Hinsicht erheblich verletzt hatte: er hatte den Eigentümer nicht über die Operationsmöglichkeiten (Kastration im Stehen oder Liegen) informiert und zudem für diesen "Althengst" ohne Einverständnis die risikoreichere Methode gewählt.

Keine Angst vor "lästigen Fragen"...

Man sieht, wie schwierig der Weg durch die Instanzen sein kann. Zu erkennen ist aber auch, dass so mancher Schaden hätte vermieden werden können, wenn der Tierhalter den Tierarzt ausführlich über die Krankheit selbst und die eventuellen unterschiedlichen Behandlungsmethoden und deren Risiken sowie Kosten befragt hätte. Der Pferdehalter sollte sich daher nicht davor scheuen, im Zweifelsfalle einen weiteren Tierarzt hinzuzuziehen, um Diagnosesicherheit zu erhalten.


Autor: Jessen



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