Falsche Behandlung vor der Besamung?
Haftet der Tierarzt bei Verfohlung


Ein Fohlen durch Abort zu verlieren ist für den Züchter in finanzieller und menschlicher Hinsicht ein trauriges Ereignis. Bei der gesundheitlichen Vorsorge muss der Züchter dabei voll auf den Tierarzt vertrauen.
In dem vorliegenden Fall musste letztendlich das Gericht entscheiden musste, ob der Tierarzt richtig oder falsch gehandelt hatte.

Der Kläger ist ein Hobby-Züchter und wollte seine Stute durch einen Tierarzt besamen lassen. Vor der Besamung wurde die Stute untersucht und die übliche Tupferprobe entnommen. Obwohl die Stute klinisch gesund war, wies das Ergebnis der Tupferuntersuchung einen starken unspezifischen Keimgehalt und eine geringe Konzentration beta-hämolysierender Streptokokken auf. Das Tupfer-Gutachten, das nur dem Tierarzt und nicht dem Züchter vorlag, enthielt auch den Hinweis: „Stute darf nicht gedeckt werden. Behandlung und erneute Tupfereinsendung frühestens 14 Tage nach der letzten Behandlung erforderlich."

Besamung trotz Keimbelastung

Der Tierarzt besamte die Stute trotz dieses Hinweises an zwei Tagen im Mai 2002 und verabreichte gleichzeitig ein schnell wirkendes Penicillin mit Langzeitwirkung. Weitere Maßnahmen unternahm der Tierarzt nicht. Die weiterhin klinisch unauffällige Stute nahm auf, weitere Untersuchungen oder Behandlungen bzgl. der Streptokokken wurden nicht vorgenommen.

Neun Monate später, am 6. Februar 2003, verfohlte die Stute. Der Züchter ließ den Fötus ohne Eihäute sechs Tage nach dem Verfohlen am Institut für Pathologie der Tierärztlichen Hochschule Hannover untersuchen. Unter anderem weil gerade die Eihäute zur Diagnostik fehlten, war keine Abortursache eindeutig festzustellen. Allerdings fand das Institut für Mikrobiologie derselben Universität in der Lunge und Leber des Fötus einen hochgradigen Gehalt an beta-hämolysierenden Streptokokken. Auch in einer erneuten Tupferprobe der Stute, die nach dem Verfohlen genommen wurde, fand sich ein geringer Streptokokken-Befall.

Hat der Zierarzt pflichtwidrig gehandelt?

Der Züchter verklagte daraufhin den Tierarzt mit der Argumentation, er hätte die Stute zunächst wegen der Streptokokken behandeln und den Erfolg überprüfen müssen, so wie es im Ergebnis der Tupferuntersuchung festgehalten worden war. Die von ihm durchgeführte Behandlung habe offensichtlich nicht angeschlagen und deshalb nicht verhindert, dass beta-hämolysierende Streptokokken im Geschlechtstrakt verblieben und so zum Abort der Stute mit Verlust des Fohlens geführt hätten.

Der Tierarzt war der Auffassung, dass sein Vorgehen ordnungsgemäß gewesen sei und dass die Streptokokken für den Abort nicht ursächlich gewesen seien.

Das Gutachten

In Streitfällen dieser Art wird üblicherweise ein neutrales Sachverständigengutachten angefertigt, das den Sachverhalt aufklären und damit dem Gericht die Entscheidung ermöglichen soll. Der Gutachter, ein Professor für Tiermedizin der Tierärztlichen Hochschule Hannover, war der Auffassung, dass trotz der Ergebnisse der Tupferuntersuchung die Besamung durchgeführt werden durfte: „Wenn auch eine generelle Empfehlung besteht, Stuten mit verdächtigem Keimgehalt zu behandeln, bleibt die Entscheidung letztendlich beim betreuenden Tierarzt", so das Gutachten. Denn der Keimgehalt an pathologischen Keimen (beta-hämolysierende Streptokokken) war gering und das Pferd klinisch gesund. Zwar seien, so das Gutachten, die Aussagen der Tupferuntersuchung für den Tierarzt nicht völlig unverbindlich, gleichwohl könne aber allein der Tierarzt vor Ort entscheiden, was zu geschehen habe. In diesem Fall kam hinzu, dass die Stute mit einem hochwirksamen und langanhaltenden Medikament therapiert worden war, auf dessen Wirksamkeit der Tierarzt vertrauen durfte. Den Beweis für die Wirksamkeit der antibiotischen Behandlung sah der Sachverständige zudem darin, dass die Stute bei der zweiten Besamung keinerlei klinische Auffälligkeiten zeigte. Die Richtigkeit der Annahme wird weiterhin dadurch bestätigt, dass die Stute nahezu neun Monate lang klinisch unauffällig blieb.

So kommt der Sachverständige zu dem Ergebnis, dass die Besamung nicht fehlerhaft erfolgt war.

Darüber hinaus bestanden auch Zweifel, ob tatsächlich die Streptokokken für den Abort ursächlich waren. Andere Ursachen müssten mit gleicher Wahrscheinlichkeit in Betracht gezogen werden, so zum Beispiel vorwiegend Viruskontaminationen. Eine Ursächlichkeit der Ende April 2002 vorliegenden geringgradigen Kontamination mit beta-hämolysierenden Streptokokken für den späteren Abortus war nicht nachzuvollziehen und wurde mit hohem Wahrscheinlichkeitsgrad verneint. Da der Fötus erst sechs Tage nach der Fehlgeburt seziert wurde, lässt sich auch nicht nachweisen, dass die im Lungen- und Lebergewebe des Fötus nachgewiesenen Streptokokken mit Sicherheit schon zum Zeitpunkt der Fehlgeburt vorhanden waren. Auch eine Kontamination nach dem Abort wäre durchaus möglich gewesen.

Aus allen diesen Gründen konnte dem Tierarzt keine Pflichtverletzung nachgewiesen werden und die Klage des Züchter wurde letztendlich abgewiesen.


Mögliche Abort-Ursachen

Als Aborte beim Pferd gelten Fruchtverluste zwischen etwa Mitte des dritten Monats und dem 300. Tag der Trächtigkeit. Ursachen von Aborten können neben Zwillingsschwangerschaften, extragenitalen Ursachen wie Traumen oder Koliken durch hormonale Imbalancen und Infektionen durch Mikroorganismen sein. Bekannt sind Fruchtverluste durch Pilze. Viren, darunter das Equine Herpesvirus, spielen eine bedeutende Rolle. Die Palette der abortbedingenden Bakterien ist umfangreich, dazu gehören auch beta-hämolysierende Streptokokken. Nicht virusbedingte Aborte sind überwiegend die Folge von Keinem, die über die Scheide in die Gebärmutter gelangt sind. Eine über den Blutweg gehende Infektion der Eihäute und des Fötus ist nur möglich, wenn es gleichzeitig zu einer Zerstörung der Eihautschranke gekommen ist. Die Barrieren der Eihäute sind aber so dicht, dass große Moleküle und erst recht Kleinstlebewesen wie Bakterien nicht passieren können. Es ist zwar möglich, dass bedingt krankmachende Keime zum Zeitpunkt der Bedeckung bis in die präpartale Phase (kurz vor der Geburt) überdauern, allerdings ist die Wahrscheinlichkeit sehr gering.


Empfehlung zur Beweisführung

Das Gutachten macht deutlich, dass in diesem Fall eine genaue Beweisführung für die Fehl- bzw. Frühgeburt nicht zu ermitteln war, weil die Eihäute, also die Nachgeburt, fehlten. Verfohlt eine Stute und möchte der Züchter die genaue Ursache dafür ermitteln (lassen), so ist zu empfehlen, sofort den Tierarzt zu benachrichtigen, der die Stute genau untersuchen muss, ob die Nachgeburt komplett abgegangen ist und ob die Stute durch die Fehlgeburt irgendeinen Schaden erlitten hat. Der Fötus muss anschließend komplett mit Eihäuten, also der Nachgeburt, möglichst sauber in einer Wanne gekühlt aufbewahrt und umgehend zur nächst verfügbaren pathologischen Untersuchung gebracht werden, da längere Wartezeiten die Genauigkeit des Untersuchungsergebnisses bereits beeinflussen können. Auch hier kann der Haustierarzt Adressen nennen und/oder die Untersuchung in die Wege leiten.


Autor: Jessen



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