Schlechte Röntgenbefunde allein kein Mangel!

 

Seit der Einführung des Verbrauchsgüterkaufs (s. auch Beitrag Kaufrecht) auch für Pferde hoffen viele Käufer, ein Pferd auch längere Zeit nach dem Kauf zurückgeben zu können, wenn eine Röntgenuntersuchung positive Befunde ergibt. Dass diese aber nicht immer einen Mangel darstellen und daher nicht automatisch zur Rückgabe berechtigen, zeigt folgender Fall.

Die Frage der Beweislast

Bei einem Rechtsstreit über die Rückabwicklung eines Pferdekaufes ist häufig die Frage der Beweislast entscheidend für den Prozessausgang. Grundsätzlich muss nämlich der Käufer beweisen, dass das Pferd bei der Übergabe bereits mangelhaft gewesen ist bzw. der Mangel schon dem Grunde nach angelegt war.
Aus dieser misslichen Lage können dem Käufer eventuell die Regelungen des Verbrauchsgüterkaufes helfen. Wurde das Pferd von einem Unternehmer verkauft und ist der Käufer Verbraucher i.S.d. § 13 BGB, dann könnten unter Umständen die Regelungen der Beweislastumkehr eintreten. Sie besagen:

zeigt sich innerhalb von sechs Monaten seit Übergabe ein Sachmangel, so wird vermutet, dass die Sache bereits bei Gefahrübergang mangelhaft war, es sei denn, diese Vermutung ist mit der Art der Sache oder des Mangels unvereinbar".

Kann der Käufer also beweisen, dass das Pferd innerhalb der ersten sechs Monate einen Mangel aufweist, wird vermutet, dass der Mangel schon bei Gefahrübergang vorlag. Die Konsequenz: Der Verkäufer muss umgekehrt nachweisen, dass das Pferd einwandfrei war.

Eine weitere Frage ist dann, ob die Beweislastumkehr „mit der Art der Sache oder des Mangels" unvereinbar ist. Dazu hat der Bundesgerichtshof in seinem Urteil vom 29. März 2006 klar gestellt, dass die Regelungen der Beweislastumkehr grundsätzlich auch für den Tierkauf gelten.

Immer eine Frage des Einzelfalls

Die Frage, welcher Mangel mit der Beweislastumkehr vereinbar ist oder nicht, ist jedoch immer noch umstritten und letztendlich eine Frage des Einzelfalles. So musste sich das OLG Celle im Mai 2006 mit der Beweislast bei dem Krankheitsbefund Kissing Spines auseinandersetzen. Dem Verfahren lag folgender Sachverhalt zugrunde: Die Klägerin kaufte im September 2003 von dem beklagten Unternehmer eine Trakehnerstute für 7.500 Euro. Die Ankaufsuntersuchung ergab keine Beanstandungen.

Schon einige Wochen nach der Übergabe traten die ersten Rittigkeitsprobleme auf. Die Klägerin informierte den Verkäufer darüber und dass sie das Tier näher untersuchen lassen werde.

Röntgenbefund Kissing Spines

Am 20.2.2004 stellte der untersuchende Tierarzt eine mittelgradige Überempfindlichkeit für Berührungsreize der langen Rückenmuskulatur im Bereich der Sattellage und der Lende fest. Das Pferd war im Trab hochgradig verspannt, das Untertreten hinten beidseits verkürzt. Eine Röntgenuntersuchung der Dornfortsätze in der Sattellage ergab deutlich enge Zwischenräume mit drei Verdichtungszonen im Randbereich – sog. Kissing Spines. Nach einer lokalen Behandlung der drei Dornfortsatzzwischenräume verschwanden die Symptome zunächst, stellten sich aber später wieder ein.

Daher erklärte die Klägerin den Rücktritt vom Kaufvertrag und verlangte die Rückgabe des Pferdes Zug um Zug gegen Rückzahlung des Kaufpreises.

Das Sachverständigengutachten

Das angerufene Landgericht ließ ein Sachverständigengutachten erstellen. Es sollte überprüfen, ob das Pferd bereits zum Zeitpunkt der Übergabe im September 2003 Verdichtungszonen im Bereich der Dornfortsätze aufgewiesen, deshalb eine überempfindliche Rückenmuskulatur hatte und aus diesen Gründen für den Dressursport nicht geeignet sei.

Der Sachverständige kam zu dem Ergebnis, dass zwar Verdichtungszonen vorliegen, man aber nicht sagen könne, ob dies schon zur Zeit der Übergabe des Pferdes so gewesen sei. Im Übrigen wies der Gutachter auf eine von Brunken durchgeführte Reihenuntersuchung von 904 Warmblutpferden ohne Rückensymptomatik hin, in der nur 34 Prozent der untersuchten Pferde keine besonderen Röntgenbefunde hatten. Umgekehrt konnte in einer Untersuchung bei 163 rückenkranken Pferden nur bei 56,5 Prozent röntgenologisch Kissing Spines festgestellt werden.

Verschiedene Ursachen

Nach Aussage des Gutachters können überdies verschiedene Ursachen eine Überempfindlichkeit der Rückenmuskulatur auslösen. Daher ist die exakte Lokalisation eines Schmerzes im Rückenbereich nur mit hohem diagnostischen Aufwand festzustellen. Die Untersuchung des Tierarztes der Klägerin reiche dafür nicht aus. Insoweit könne man noch nicht einmal sagen, ob der Schmerz aus dem Rücken komme.

Die Klägerin verlor den Prozess vor dem Landgericht mit der Begründung, man könne nicht mit Sicherheit sagen, ob die Überempfindlichkeit des Rückens (der Mangel) schon zum Zeitpunkt der Übergabe vorgelegen hatte. Die Beweislastumkehr kommt deshalb nicht in Betracht, weil sie mit der Art des Mangels unvereinbar sei.

Dieses Urteil wurde vom OLG Celle überprüft und im Ergebnis für richtig befunden. Das OLG war der Überzeugung, dass schon kein Mangel vorliegt.

Röntgenbefunde allein kein Mangel

Die Röntgenbefunde stellen für sich betrachtet keinen Mangel dar, weil laut der vom Gutachter aufgeführten Reihenuntersuchungen die überwiegende Zahl der Pferde röntgenologische Befunde aufwiesen. Die bloße Disposition für das mögliche spätere Auftreten einer Erkrankung, die erst durch das Hinzutreten weiterer Umstände ausgelöst wird, kann nach Ansicht des Gerichtes nicht als Mangel eingestuft werden. Nur wenn die genetische Disposition und die darauf beruhende Krankheit sicher und lediglich der Zeitpunkt des Ausbruchs unsicher ist, kann ein Mangel angenommen werden. Das ist aber bei Kissing Spines nicht der Fall.

Nachdem das Gericht den röntgenologischen Befund nicht als Mangel sah, prüfte es noch, ob die Verspannungen der Stute im Trab und das verkürzte Untertreten Mängel darstellten. Dazu meinte das Gericht, dass die Käuferin nicht beweisen konnte, dass diese schon bei der Übergabe vorgelegen hatten. Die Beweislastumkehr wurde ausgeschlossen, da die Vermutung mit der Art des Mangels nicht vereinbar sei: Verspannungen könnten laut Gutachten verschiedene Gründe haben, sei es Aufregung in fremder Umgebung, eine neue Bezugspersonen oder ein neuer Sattel.

Fazit

Das Urteil macht deutlich, dass die Durchsetzung von Rechten im Zusammenhang mit Rückenbeschwerden sehr schwierig durchzusetzen sind. Für das OLG Celle stellt der röntgenologische Befund der Kissing Spines noch keinen Mangel dar. Erst wenn man durch hohen diagnostischen Aufwand festgestellt hat, dass die Schmerzursache tatsächlich in den Dornfortsätzen liegt, kann man von einem Mangel ausgehen. Dann bleibt aber immer noch das Problem nachzuweisen, dass der Mangel schon bei Gefahrübergang vorgelegen hat.

Autor: Jessen




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